„Zuerst möchte ich die Ponte Vecchio sehen, dann noch den Piazza della Signoria und den Palazzo Pitti und den Palazzo Vecchio und den Dom und vielleicht noch die Uffizien und die David Statue und allenfalls noch die Piazzale Michelangelo…“, so lautet das klassische Programm für den Durchschnitts-Florenz-Besucher. Wer länger als ein paar Tage in dieser Stadt verweilt, sieht sich auch ganz gerne einmal einen Ort an, an dem es nicht von Touristen wimmelt. Irgendwann beginnt die bewusste Suche nach den geheimen und verborgenen Plätzen der Stadt.
Einen dieser magischen Plätze habe ich in der „Le Murate“ gefunden. Ein Ort an dem Tragik und Kreativität nahe beieinander liegen. Ursprünglich war der Gebäudekomplex im 14. Jahrhundert als Kloster gebaut worden. 1808 wurde „Le Murate“ dann zum Männer-Gefängnis von Florenz umgebaut. Zur Zeit des zweiten Weltkrieges erlangte „Le Murate“ traurige Berühmtheit, weil dort Gegner des Faschistischen Regimes grausam gefoltert wurden. Laut meinem Sprachlehrer wurde „Le Murate“ nach dem Krieg bis zu seiner Schliessung als Frauengefängnis genutzt. „Le Murate“ heisst so viel wie „die Eingemauerten“ oder auch Bollwerk. Ersteres ist natürlich treffender.
Also, wo früher schwere Mädchen und Jungs, aber auch politisch verfolgte Frauen und Männer zu Recht oder wohl öfter zu Unrecht ihre Haftstrafen abgesessen haben, wird heute musiziert, philosophiert, gegessen und gewohnt. Der ganze Gebäudekomplex wurde einerseits zu Studentenwohnungen und Wohngenossenschaften und anderseits zu Galerien, einem Buchladen, Konzertlokal und Restaurant umgebaut. Kreativität soweit Augen, Ohren und alle anderen möglichen Sinne reichen…
Nebst dem literarischen und musikalischen Seelenfutter wird in „Le Murate“ auch gut für das leibliche Wohl gesorgt. Das Essen ist wohltuend weit entfernt von der schweren Florentiner Küche und jeden Sonntag kann gebruncht werden – auf Wunsch sogar vegetarisch.
Für mich ist „Le Murate“ ein wunderbares Beispiel für die Weite der Möglichkeiten, die sich bieten, wenn die Menschen kreativ sind und zusammen etwas auf die Beine stellen und sie erinnert mich immer wieder daran, dass sich die Geschichte eines Menschen oder eben auch eines Gebäudes von tragisch zu leicht und befreit wenden kann!
Liebe Signora Pinella, nach einer Nacht, die von komischen Träumen und Kind stillen geprägt war, erwache ich heute Morgen nicht sonderlich glücklich. Die Idee wieder mal bei dir vorbei zu schauen hat sich als 'molto bene' herausgestellt. Ich fühle mich nun leichter und befreiter 😉
Dankeschön und einen schönen Tag!