Bella Napoli Teil 1 – überwältigt von Kitsch, Kunst und Gefühlen…

von | Okt 5, 2014 | Signora Pinella auf Reisen, Vita Italiana | 10 Kommentare

Vor einigen Stunden sind der Signore und ich aus Napoli zurückgekommen. Nun will ich versuchen unsere Reise in Worte zu fassen – auch deshalb, weil ich die Eindrücke irgendwie verarbeiten muss. Ich werde das in zwei Teilen machen. Heute nehme ich Euch mit auf einen Rundgang durch Napoli. In einem weiteren Post geht es dann an die Amalfiküste. Der Signore hatte bereits Anfang Jahres angekündigt, dass er Napoli unbedingt besuchen wolle. Ich war davon nicht so begeistert, da uns von den Italienern immer wieder gepredigt wurde, wie gefährlich Napoli sei. Napoli stand in meinem Kopf für Schmutz, Abfallberge, Verbrechen und Kriminalität. Mit dieser Vorstellung und einem mulmigen Gefühl im Bauch bin ich dann auch in diese Stadt gereist und wurde von ihr eines Besseren belehrt… Während Florenz schon ein bisschen meine Heimat ist und Rom mich immer noch nicht richtig gepackt hat, hat Napoli mich tief berührt. Man mag diese Stadt lieben oder hassen – kalt lässt sie aber wohl niemanden.
In Napoli treffen Gegensätze aufeinander, die irritieren und gleichzeitig zum Denken anregen. Und gleich vorneweg: Ja, die Stadt ist sogar im Zentrum relativ schmutzig. Aber sie ist beispielsweise im Zentrum nicht viel dreckiger als Rom oder Florenz. Da auch das Problem der Kriminalität scheinbar erkannt wurde, ist die Polizei stark präsent. Wie viel das nützt, kann ich nicht sagen.
Weil ich mit so vielen Vorurteilen nach Napoli gekommen war, war ich zuerst einmal über mich selber erstaunt, weil mich die Stadt vom ersten Moment an faszinierte und beeindruckte. Wir hatten uns bewusst entschieden einen ganzen Tag in das Erkunden des Zentrums zu investieren und dies zu Fuss zu tun. Wir starteten also in unserem Hotel in der Via Chiaia (Tipps und Adressen liste ich am Ende nochmal auf) und machten uns über die Via Toledo auf in die Altstadt. An der Via Toledo ist die wunderschöne, klassizistisch gebaute Galleria Umberto gelegen. In diesem Einkaufszentrum findet man vorwiegend Geschäfte grosser
Ladenketten. Das Gebäude an und für sich ist aber bereits ein Besuch wert.
Von der Via Toledo ging es dann weiter in Richtung Altstadt zur Kirche Gesu Nuovo. Von Draussen her gesehen fällt die Kirche nicht sonderlich auf und reiht sich nahtlos in eine Häuserzeile ein. Ihr Inneres beeindruckte uns dafür umso mehr. Denn auch wenn die Strassen in Neapel vielleicht schmutzig sind, die Kirchen sind das pure Gegenteil, blitzblank geputzt und oft üppig mit frischen Blumen geschmückt. Religiosität wird grossgeschrieben. So wurde in der Kirche Gesu Nuovo auch ganz ungeniert öffentlich gebeichtet, gebetet und geweint. Weil ich diese Menschen nicht stören wollte, habe ich nicht fotografiert. Denn wenn jemand schon sein Gewissen erleichtern will und Hilfe sucht, finde ich es respektlos sie dabei zu stören.
Ganz in der Nähe dieser Kirche liegen die Klosterkirche und der dazugehörige Konvent Santa Chiara. Der
Gebäudekomplex wurde bei einem Bombenangriff 1943 schwer beschädigt und danach mit viel Liebe wieder aufgebaut. Während die Kirche für neapolitanische Begriffe eher schlicht ist (immerhin beherbergt sie mit dem Grab von Robert von Anjou das grösste mittelalterliche Grabmal), besticht der wundervolle Klostergarten „Chiostro delle Clarisse“ mit majolikagechachelten Sitzbänken und Zitronenbäumen mit südlichem Charme und lädt als Oase der Stille zum Ausruhen und Verweilen ein.
Nach dem Besuch in der Stille ging es weiter in das Cafè Scaturchio auf der Piazza San Domenico Maggiore. Dort werden seit 1903 wundervolle, süsse Leckereien – angeblich die Besten in ganz Napoli – und unglaublich guter Kaffee serviert. Der Signore hatte sich vorher bei Arbeitskollegen aus Napoli über die Spezialitäten informiert und so versuchten wir eine Baba al Rum, ein Gebäck aus einem luftigen, biskuittähnlichem Teig, welches in Rum getränkt wird und schlürften den dunklen, starken, dickflüssigen Kaffee.
Danach ging es weiter in Richtung Via San Gregorio Armeno, wo die typisch neapolitanischen Krippenfiguren verkauft werden. An Weihnachten haben Krippen in Italien eine weitaus grössere und wichtigere Bedeutung als Weihnachtsbäume. Die riesige Auswahl der Figuren und das bunte Durcheinander in dieser Strasse haben mich gefesselt und ich hätte noch viel länger dort verweilen und stöbern können. So werden nicht nur klassische Krippen, sondern auch Figuren von allerlei Prominenten und Papier- und Seidenblumen hergestellt und verkauft. Weil ich bereits eine schöne Krippe aus Brienz im Berner Oberland besitze (d.h. sie wird jedes Jahr ein bisschen grösser, da mir der Signore immer zu Weihnachten eine weitere, handgeschnitzte Figur schenkt), verspürte ich nicht das Bedürfnis eine Figur zu kaufen. Der
Signore wählte für sich aus Figuren verschiedener Berufe einen kleinen Arzt aus und will diesen künftig neben meine Figuren stellen. Erinnerungen sind ja gut und schön, aber ich denke, dass ich das Figürchen eher in seinem Arbeitszimmer als bei meiner Krippe deponieren werde;)
Am Schluss des Rundganges sahen wird uns noch den Dom „Duomo san Gennaro“ von Neapel an. Im Innern des Doms befinden sich die Blutreste des Stadtpatrons San Gennaro, die sich angeblich zweimal im Jahr verflüssigen. Als ich das gelesen habe, war ich ein weiteres Mal reichlich irritiert. Aufgewachsen im tief protestantischen Emmental sind mir solche Dinge einfach fremd. In Napoli wird man aber grundsätzlich an allen Ecken mit Formen der Religiosität und des (Aber)-Glaubens konfrontiert. Überall werden beispielsweise kleine rote Paprikaschoten „Corno“ aus Holz oder Keramik verkauft, die einem vor dem bösen Blick schützen sollen. Im Essen sollen die richtigen, scharfen Paprikaschoten dagegen ganz praktische, positive Auswirkungen auf das Herz und die Potenz der Männer haben, wurde uns erklärt.
Weil die Passegiata dann doch eher zu einem mehrstündigen Fussmarsch wurde, kehrten wir auf direktem Weg wieder über die Via Toledo in unser Hotel an der Via Chiaia zurück und hielten dort Siesta, bevor wir uns am Abend das Castel dell’Ovo ansahen, in dessen Mauern der Legende nach Vergil ein Ei eingemauert hat und solange dieses Ei unversehrt bleibt, Neapel bestehen bleibe. Danach ging es weiter in das Viertel Santa Lucia und an die Promenade am Meer. Die Strasse dort wird am Abend gesperrt und lädt zum Flanieren ein. Im Restaurant Regina Margherita gönnten wir uns dann eine erstklassige Pizza.

Kulinarisch gesehen war Napoli wohl der Höhepunkt dieses Jahres. Die Pizzen werden ihrem Ruf wirklich gerecht. Die etwas dickeren Ränder sind luftig und weich, in der Mitte ist der Teig hauchdünn und der minimalistische Belag aus sonnengereiften Tomaten und hervorragendem Mozzarella schmeckt einfach himmlisch.

Noch nie habe ich übrigens so süsse Tomaten gegessen. Unglaublich was an den fruchtbaren Hängen des Vesuvs für Köstlichkeiten wachsen. Eine weitere Spezialität in Napoli ist daher auch die Tomatensauce aus diesen herrlichen, süssen, kleinen Tomaten. Ich habe sogar ein Kilo davon geschenkt bekommen (wie das kam, erzähle ich Euch dann im zweiten Teil) und sie Zuhause sofort verarbeitet, da ihnen der Transport im Zug nicht wirklich bekommen ist. Die Tomaten werden zusammen mit einem guten Olivenöl, etwas Salz und Pfeffer und ein paar Zweigen Basilikum eingekocht, aber nicht verkocht, und mit dicken Spaghetti serviert. Der Geschmack ist so einmalig, dass es eine Schande wäre, diesen mit geriebenem Käse zu verschandeln.

 

Und nun noch ein paar praktische Tipps und Adressen für alle, welche Napoli ebenfalls gerne einmal besuchen möchten.
Anreise:
Neapel ist von Mailand aus mit dem Hochgeschwindigkeitszug Freccia Rossa in knapp fünf Stunden zu erreichen. Wer direkt auf der Website www.trenitalia.it bucht, kann, wenn er früh dran und zeitlich etwas flexibel ist, günstige Tickets ergattern, die bequem Zuhause ausgedruckt werden können. Diese Methode bewährt sich auch sonst für das Reisen in Italien. Am Bahnhof haben wir uns dann ein Taxi zum Hotel www.aparthotelplebiscito.it geleistet. Das Taxi war um einiges günstiger als in Florenz. Das mag aber auch daran liegen, dass der Fahrer relativ schnell herausfand, dass wir in Italien wohnen und die Preise kennen.
Übernachtung:
Allgemein gilt die Region um den Bahnhof als relativ gefährlich. Auch wenn sich dort zahlreiche internationale Hotelketten angesiedelt haben, würde ich eher ein Hotel in Richtung Promenade oder rund um die Piazza Plebiscito buchen. So können die schönen Restaurants am Abend bequem zu Fuss erreicht werden.
Sicherheit:
Wenn einem die Italiener vor Kriminalität warnen, sollte man das auch ernst nehmen. Wie in vielen grossen Städten besteht auch in Neapel die Gefahr, dass man bestohlen wird. Daher Geld, Handy und Ausweise möglichst nahe am Körper, allenfalls sogar in einer Tasche unter den Kleidern, tragen. Meine geliebte Nikon habe ich von Anfang an Zuhause gelassen und dafür eine kleine, kompakte Kamera mitgenommen. Es empfiehlt sich eine Tasche mitzunehmen, die einen Riemen hat, der quer über die Brust geht. Das ist sicherer als ein Rucksack oder eine Tasche, die seitlich getragen wird und man hat erst noch beide Hände frei. Genau wie in allen anderen Grossstädten würde ich mich auch in Neapel nicht in düsteren Hinterhöfen und Seitengassen herumtreiben und grundsätzlich stets achtsam sein.
Sehenswürdigkeiten:
Die Stadt bietet mit unzähligen Palästen und Kirchen eine grosse Zahl an Sehenswürdigkeiten. Da wir im Moment den Fokus darauf legen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Städte zu erkunden, haben wir uns eben eher an die Altstadt gehalten. Ein Muss ist aber eigentlich auch der Besuch der Überbleibsel aus Griechischen und Römischen Zeiten, sowie der Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum. Dazu würde ich aber eine Führung buchen. Zu geführten Touren werde ich im zweiten Teil mehr schreiben.
Schlussendlich bin ich froh und dankbar, dass mich der Signore zu diesem Ausflug überredet hat und ich so in einer Stadt irgendwo zwischen vergangener Grösse, gegenwärtiger Armut, Kitsch und Kunst gelandet bin. Es hat mich Überwindung gekostet und immer wieder habe ich mich gefragt, was hinter den schönen Fassaden, etwas ausserhalb in den Quartieren und im Verborgenen passiert… Vermutlich hat der Taxifahrer, der uns zurück an den Bahnhof gebracht hat, die Stadt am treffendsten beschrieben. „Napoli ist nicht nur schön, sondern wunderschön“, erklärte er uns. Es sei eine grosse Stadt, mit grosser Vergangenheit. Das grosse Problem sei heute die Armut und die Arbeitslosigkeit, welche besonders junge Menschen auf Abwege bringe. „Die Menschen hier sind eigentlich fleissig und freundlich. Zumindest zwei Drittel von ihnen – den Rest sollte man…“, den letzten Teil des Satzes liess er mit einer wegwerfenden Handbewegung in der Luft hängen.
Ich hoffe, dass Euch der virtuelle Ausflug in diese laute, anstrengende, zauberhafte Stadt ein (neues) Bild davon vermittelt hat und wünsche Euch einen guten Start in die nächste Woche!
Herzlichst, Eure Signora Pinella