Die Krux mit den Fernfreundschaften…
Kürzlich habe ich mir einen schier dekadenten Luxus geleistet. Ich bin ganz für mich alleine durch meine Heimatstadt Thun gebummelt. Warum das so dekadent ist, mögen jetzt einige von Euch fragen… Weil ich normalerweise jedes Mal, wenn ich in meine alte Heimat komme, ein Monsterprogramm von Besuchen und Verabredungen zum Kaffeetrinken abspule. Dann kommen noch die Besuche bei der Familie dazu und danach brauche ich dann erstmal wieder einen Tag Ruhe und Erholung in meiner neuen Heimat Zürich.
Da der Signore und ich sieben Jahre vor unserer Hochzeit und noch das erste halbe Jahr unserer Ehe in einer Fernbeziehung gelebt haben, habe ich damit eigentlich relativ viel Erfahrung und es lief eigentlich auch ganz gut (sonst wären wir ja nicht immer noch verheiratet). Ich habe aber festgestellt, dass mir das Thema Fernfreundschaften viel, viel schwerer fällt. Meine Suche bei Google hat ergeben, dass dazu schon einiges geschrieben wurde. Offenbar bin ich nicht der einzige Mensch, der damit irgendwie Probleme hat. Schon ein paar Mal habe ich Euch erzählt, dass der Signore und ich reich wären, wenn wir jedes Mal für Den Satz «Meldet Euch, wenn ihr in Thun seid» schon alleine einen Franken bekommen würden. Den Signore nervt das übrigens genauso wie mich.
Das Ganze war irgendwie sogar leichter, als wir noch in Florenz gelebt haben. Da sind die Leute in Massen hergekommen. Denn wer lässt sich schon ein Wochenende in Florenz mit gratis Übernachtungsmöglichkeit und Stadtführung entgehen? Zürich scheint da um einiges unattraktiver zu sein. Obwohl wir immer mal wieder so Sätze wie «Ach letztes Wochenende war ich gerade im Hallenstadion an einem Konzert» oder so zu hören bekommen. Die Leute schaffen es also offenbar sehr wohl nach Zürich, wenn sie es denn für sich als wichtig erachten. Um Beziehungen zu pflegen, scheint es dann aber doch nicht so wichtig zu sein. Oder wie uns schon oft erklärt wurde «ach, das Zugticket ist so teuer» oder «der Weg ist mit dem Auto einfach schon sehr weit». Ja, für den Signore und mich ist er ja nur halb so weit und die Zugtickets bekommen wir geschenkt… Ihr seht, da hat sich eine gehörige Ladung Frust angestaut.
Eigentlich möchte ich hier nicht einfach nur Frust ablassen, sondern auch meine Gedanken mit Euch teilen, da es uns allen ab und zu gut tut über Beziehungen und die Art, wie wir sie leben, zu reflektieren.
Wenn es ganz allgemein um Beziehungen geht, fällt mir immer ein Volkslied ein, das mein Vater mit uns als Kinder gesungen hat. «Wahre Freundschaft soll nicht wanken, wenn man gleich entfernet ist, lebet fort noch in Gedanken und der Treue nicht vergisst.» Eigentlich fasst das alles, um das es in einer Freundschaft geht, wunderbar zusammen. Bei Freundschaften geht es nicht um den Wohnort oder die Distanz, sondern darum, dass sich zwei Menschen umeinander bemühen, einander treu sein wollen und sich nicht vergessen. Ergänzend dazu sind mir in letzter Zeit noch folgenden Punkte wichtig geworden, die besonders das Leben von Fernfreundschaften erleichtern.
In einer Freundschaft geht es darum, sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen. Es müssen also nicht immer lange Monsterbesuche sein. Manchmal reicht auch nur eine Kurznachricht, vielleicht auch noch mit einem Bild dazu, in der man dem anderen erzählt, was man macht. Gerade bei Fernfreundschaften fallen ja eben die spontanen Kurzbesuche und das gemeinsame Erleben leider weg. Kurze Lebenszeichen schaffen eine Nähe, die gut tut.
Man sollte immer daran denken, dass der Weg für beide gleich lang ist und so auch von beiden Seiten her auf sich genommen werden kann. Nur weil jemand weggezogen ist, sollte nicht ihm die ganze Verantwortung für das Aufrechterhalten einer Freundschaft aufgebürdet werden. Dieser Gedanke gilt aber auch sonst für jegliche Freundschaftsformen. Bei mir ist es zum Beispiel im Moment nicht nur die Distanz, die es schwierig macht, sondern auch die Tatsache, dass viele Freundinnen Kinder bekommen haben. Ich bekomme dann nicht nur zu hören, dass ich so schrecklich weit weg wohnen würde, sondern dass ich ja viel flexibler sei und deshalb den Weg auf mich nehmen könne. Ich überlege dann oft, wer mich besuchen wird, wenn ich einmal Kinder habe… Diese Ausrede kann ich auch deshalb nicht einfach stehen lassen, da ich sehe, dass es durchaus Frauen mit Kindern gibt (wie zum Beispiel meine Sorella, die gleich drei Stück hat), die es schaffen, mich zu besuchen.
Zusammenfassend geht es ja einfach darum, dass eine Freundschaft beiden Teilen gleich wichtig sein und von beiden Seiten her gepflegt werden und nicht die Verantwortung nur einer Person aufgebürdet werden sollte. Was die Lösung für das Problem ist, wenn das nicht funktioniert, habe ich leider bisher auch noch nicht herausgefunden.
Im Moment befinde ich mich auf einem Mittelweg des trotzigen Verweigerns einerseits und des offenen Ansprechens anderseits. Eine liebe Freundin hat zum Beispiel ganz ehrlich zu mir gesagt, dass sie sich einfach nicht bewusst gewesen sei, dass ich es auch mal brauchen würde, dass man mich besucht. Diese Worte haben mir gutgetan und mir viel von meiner Wut und Trauer genommen. Denn genau um das geht es ja, dass ich jetzt ein neues Leben, an einem neuen Ort habe, das ich mit meinen alten Freunden aus meinem alten Ort ebenfalls teilen möchte.
Schlussendlich hilft es mir und hoffentlich auch anderen von Euch, die solche Situationen mit unausgeglichenen Freundschaften auch schon erlebt haben, wenn wir uns alle nicht zu sehr unter Druck setzen. Und darum werde ich wohl noch mehr alleine durch Thun bummeln. Einfach so, weil ich es mir guttut und besser gegen mein Heimweh hilft (das ich ja immer noch habe und mich wohl solange ich in Zürich wohnen muss, plagen wird), als wenn ich mich mit einem Monster-KaffeeundTeetrinken-Programm quäle… Und ich glaube auch und hoffe darauf, dass sich manchmal gerade dann, wenn man alte Dinge oder eben auch Freundschaften gehen lässt, neue Türen öffnen. Krampfhaft an Menschen festzuhalten, die einem nicht mit Liebe und Respekt begegnen, bringt nichts. Solche Abschiede tun mir immer schrecklich weh, das darf ja aber auch so sein, weil es zeigt, dass ich eine Freundschaft wertgeschätzt habe.
Ich hoffe, dass Ihr liebe Blogleser mir meine Offenheit nicht übelnehmt. Normalerweise bemühe ich mich ja sehr um fröhliche Beiträge. Aber vielleicht fühlen sich einige von Euch ja auch verstanden und ermutigt und das würde mich sehr freuen!
Der Stress mit den Beziehungen und die verschiedenen Hürden, die der Signore und ich in den letzten Monaten privat zu meistern hatten, haben mir ehrlich gesagt auch etwas die Freude am Bloggen genommen. Langsam finde ich aber dazu zurück (auch deshalb, weil ich gerade ein paar schöne Tage mit dem Signore in unserer alten Heimat Florenz verbringen darf).
Ich würde mich freuen, wenn Ihr Eure Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema mit mir teilen würdet!
Herzlichst, Eure Signora Pinella
P.S. ist meine Heimatstadt nicht einfach wunderschön? Vielleicht sogar noch etwas schöner als Florenz (wo ich wundervolle Bilder für Euch gemacht und Geschichten gesammelt habe)!
Liebe Signora
Wunderbar geschrieben und danke dass du das so offen Kund tust. Mir erging es auch ein wenig so, vor allem aber als ich Kinder bekommen habe. Da kann man ja dann nicht mehr mithalten (mit Freunden ohne Kids) oder man hat einfach ganz andere Prioritäten. Das war unter anderem auch schmerzhaft… Ich mag es gar nicht wenn man mir die Entscheidung abnimmt ( weil ich ja jetzt Kinder habe geht das nicht mehr, oder so…) Ich habe noch meinen Mann und konnte mir ganz gut auch mal „Frei“-zeiten schaffen und ohne schlechtes gewissen das Haus ohne Kids und Mann verlassen. Nun sind meine Kinder grösser, man hat wieder andere Freiheiten und merkt dann, dass nur wenige andere auch Zeit für mich hätten. Alle sind wahnsinnig Beschäftigt (oder tun so) mit Beruf, Kinder oder was auch immer… Ich habe für mich Prioritäten gesetzt. Von Menschen denen ich immer nur gebe – selten bis nie was zurück kommt – habe ich mich „verabschiedet“ – sprich ich melde mich nicht mehr. Das kann auch befreiend sein. Keine Erwartungen, keine Verpflichtungen, …
Freundschaften sind ein Geschenk, das etwas kostet.
Ich sehe das wie du. Habe da aber auch schon gewaltig versagt….
Ach ja, Thun kenne ich nicht
Herzlichst
yase
Liebe Signora Pinella
Das sind Dinge, die mich auch oft beschäftigen. Schlussendlich kann ich niemanden zwingen, Kontakt aufzunehmen. Ich empfinde mich dann als Person, wo für andere nicht Wert genug ist. Obwohl im Grundsatz glaube ich sie meinen es nicht böse, aber es ist wohl ein Zeit- resp. Organisationsproblem. Ich für meinen Teil, halte mich dann auch zurück, schlussendlich habe ich wenige aber gute, intensive Kontakte. Bei mir kommt noch dazu, dass ich bewusst kein Mobiltelefon besitze und da geht man in der heutigen Welt sehr oft vergessen, eigentlich tragisch, finde ich. Ebenso wohne ich nicht im Dorf, etwas ausserhalb, ist auch eine gängige Ausrede, aber ich würde ja jeden abholen gehen….
Jänu, schlussendlich bin ich meines Glücks selber Schmied, wie es so schön heisst und sehr oft denke ich auch, wenn man bei „aussenstehenden“ Beziehungen so schaut, es ist auch nicht immer alles Gold was glänzt, aber die müssen selbst erkennen, was Ihnen gut tut oder nicht.
Ein weiteres Thema, dass mir zum Thema Freundschaften auffällt, ist Hilfe annehmen. Muss immer ich immer meine Hilfe anbieten, kann nicht jemand von sich aus danach fragen? Fragen kostet in der heutigen Welt ja immer noch nichts…zum Glück.
Es gebe noch so vieles, aber nun Schluss und wir freuen und des Lebens….
Liäbi Grüäss, nicole